Seit meiner Kindheit habe ich immer wieder dasselbe Lebensgefühl gehabt. Es kam mir vor, als säße ich in einem Glashaus, kann alles sehen, was draußen vor sich geht, kann aber selbst nie aktiv am Geschehen teilnehmen. Die Glaswand ist vollkommen durchsichtig. Ich kann alles sehen. Aber sie ist undurchdringlich. Ich stehe dahinter, kann aber nicht durch. Möchte ich am Geschehen teilnehmen, geht das nicht, weil ich nicht durch die Glaswand hindurch kann. Versuche ich es trotzdem, so stoße ich nur an und verletze mich. Erst gestern wurde mir wieder bewusst, dass es immer noch so ist. Das Lebensgefühl ist immer noch das gleiche.
In meiner frühesten Erinnerung bin ich drei Jahre alt, in einem amerikanischen „Kindercare“ in das mich meine Mutter tagsüber gegeben hat. Ein Erwachsener (wohl einer der Kindergärtner/innen, weiß ich nicht mehr) kommt mit einer großen Kiste gefüllt mit Spielsachen, stellt sie auf den Boden. All die anderen Kinder stürzen johlend darauf zu und versuchen, die besten Stücke für sich zu ergattern. Aber ich stehe am anderen Ende des Raumes, schaue nur zu, und flenne. Kurzzeitig flackert in mir der Wunsch auf, ebenfalls auf die Kiste zuzurennen, zu schauen, ob es auch für mich etwas zum Spielen gibt. Ich möchte es tun, tue es aber nicht. Ich bleibe in meiner Ecke und heule weiter.
Es ist seltsam, meine Kindheitserinnerung ist im Allgemeinen eher schwach. Warum ist mir gerade diese Episode hägengeblieben? Wahrscheinlich weil sie stellvertretend für mein Lebensgefühl steht, dass sich seitdem über fast 30 Jahre lang gehalten hat. Warum das so ist, weiß ich nicht. Wenn man in einer solchen oder ähnichen Situation steckt, gibt es nur eins, was man tun kann: Zunächst einmal muss man sich eingestehen, dass es so ist, und dann muss man sich überlegen, was man tun kann, um aus der Lage herauszukommen. Hat man eine Idee, die man nach einer Prüfung für möglich und erfolgversprechend hält, muss man seinen Hintern hochheben und das dann auch tun, selbst wenn man dabei seiner Furcht ins Auge sehen muss.