Der Esausegen

Schon als Kind war ich im Religionsunterricht von der biblischen Geschichte der Zwillingsbrüder Jacob und Esau fasziniert. Laut Bibel wurde Rebecca, die Frau des Isaak, des Erben Abrahams, nach einer langen Phase der Unfruchtbarkeit mit den Zwillingen schwanger. Esau war der Erstgeborene, und deshalb der rechtmäßige Erbe. Aber Jacob war der feingeistigere, gewissenhaftere und spirituellere der beiden, und deshalb sah er sich als der Geeignetere für die schwierigere Aufgabe an, das Erbe Abrahams anzutreten. Deshalb griff er zum Mittel des Betruges, um das Erbe, das eigentlich dem Esau zustand, sich selbst anzueignen. Nun, die Geschichte kann jeder selbst in der Bibel in 1. Mose 27 nachlesen: Als der alternde, und inzwischen erblindete Isaak seinem Lieblingssohn Esau seinen Segen geben wollte, gab Jacob sich für Esau aus, und erhielt an seiner Stelle den Segen (1. Mose 27, 28-29): „Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom fettesten Boden und Korn und Most die Fülle; Völker müssen dir dienen und Geschlechter sich vor dir bücken; sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Kinder müssen sich vor dir bücken. Verflucht sei, wer dir flucht, und gesegnet sei, wer dich segnet!“.

Natürlich bemerkten Isaak und Esau den Betrug kurze Zeit später, aber da war es bereits zu spät: Der Segen galt von da an und war nicht mehr rückgängig zu machen. Da brach Esau in Tränen aus und flehte seinen Vater an, ob er nicht doch auch noch für ihn einen Segen, als Trostpflaster so zu sagen, übrig hatte. Und tatsächlich (1. Mose 27, ): „Da antwortete Isaak, sein Vater, und sprach zu ihm: Siehe, ohne fetten Boden wird dein Wohnsitz sein und ohne Tau des Himmels von oben. Von deinem Schwert wirst du leben und deinem Bruder dienen. Es wird aber geschehen, wenn du dich befreien kannst, daß du sein Joch von deinem Halse reißen wirst.

Mir gefällt diese Geschichte. Für mich, als „Heiden“, ist sie nur ein schönes Märchen aus einer anderen Kultur. Aber für die bibelgläubigen Juden — und Christen! — ist sie das Wort ihres Gottes Jahwe. Judentum bedeutet: Buchstabenglaube an die Thora, die 5 Bücher Mose. Die Juden verstehen sich als geitsige Erben Jacobs (physische, bzw. genetische Nachkommenschaft spielt natürlich auch eine Rolle; wird mMn aber oft überbewertet). Der Jacobssegen ist für sie das Versprechen der Weltherrschaft ihres Stammesgottes.  Mit Esau verbinden sie dagegen alle Nichtjuden — also alle Heidenvölker. Was hat es aber mit dem Esausegen auf sich? Wie kann es sein, dass Jahwe, der allen Heiden die totale Vernichtung angedroht hat, eben diesen Heiden — mit dem Esausegendas Recht einräumt, das Joch Jacob-Israels von ihrem Halse zu reißen, wenn sie es denn wollen? Ist das nicht paradox?

Meine Vermutung ist, und ich glaube, auch vielen jüdische Gelehrte wissen bzw. ahnen das, dass der Esausegen eine Anomalie in der Thora ist — ein trojanisches Pferd. Etwas, was eigentlich gar nicht dort hinein gehört hätte, aber eben trotzdem drin steht. Was würde passieren, wenn Esau sich nun tatsächlich aufrafft und den Segen für sich persönlich einfordert? Würde Jahwe sich dann nicht selbst überflüssig machen? Sich „in ein Logikwölkchen auflösen“, wie es in Douglas Adams „Per Anhalter duch die Galaxis“ so schön heißt? Ja, würde das denn dann nicht die gesamte Thora, als alleingültiges Wort Jahwes, des Allmächigen, des Schöpfers des Himmels und der Erde, des schrecklichen Richters, außer Kraft setzen? Warum enhält die Thora eine kleine, unscheinbare Passage, mit der sie selbst außer Kraft gesetzt werden kann? Die Juden haben für dieses Problem offenbar bis heute keine Lösung gefunden; ich gehe aber davon aus, dass es eine Lösung gibt — die aber nur von uns Heiden, den geistigen Erben Esaus, gefunden werden kann

Hier ergibt sich aber gleich noch eine weitere Paradoxie: Wie können die Heiden, die ja per definitionem gar nicht an den Stammesgott Jahwe und sein Wort glaube, sich auf etwas berufen, was in der Bibel steht, auf ein Versprechen eines Gottes, der sie eigentlich gar nichts angeht? Aber auch hier vertrete ich den Standpunkt, dass dieser Widerspruch nur scheinbar ist, und aufgelöst werden kann.  Auf dem Blog von Maggie Dörr hatte ich vor kurzem eine Diskussion mit Forenteilnehmerin „Lavendel“, die ich im Folgenden wiedergebe:

Lavendel:

Es gibt nicht nur das jüdische Gottesbild inkl. Christus, von dem wir endlich wegkommen sollten (ganz meiner Meinung!), sondern auch ein deutsches. Es war so leicht hier das falsche jüdische Christentum flächendeckend zu installieren, weil es dem ursprünglichen deutschen Gottesglauben so nahe kam. Bei Mathilde Ludendorff findet sich viel zur deutschen Gotterkenntnis, interessant!

Antwort Lano:

Für Hintergründe zu Mathilde Ludendorff empfehle ich den Youtube-Kanal “Esausegen” von Matthias Köpke: https://www.youtube.com/user/Genesis2740Blessing/featured
Seitdem sehe ich das Judentum und Christentum mit ganz anderen Augen.

Antwort Lavendel:

Ja danke, Köpke ist mir bekannt und war auch einer meiner Augenöffner. Ich empfehle meinerseits noch Ingo Bading, der sich sehr viel mit M. Ludendorff u.a.m. befasst.

Gleich mal bzgl. Esausegen: Damit habe ich bisher ein Problem, da er aus dem AT und somit von Jahwe stammt, das finde ich sehr widersprüchlich. Ich würde mich daher nicht darauf berufen wollen. Andererseits fürchten sich die “Auserwählten” vor nichts mehr als diesem Segen – so dass sie immer wieder (zu Jahwe) beten, dieser möge niemals eintreffen. Ist also doch was dran?

Antwort Lano:

Ich denke, es ergibt schon Sinn. GERADE als Heide, also als jemand, der nicht an Gott Jahwe glaubt und die Thora nicht als sein verbindliches Wort akzeptiert, kann man sich darauf berufen. Die Thora-Gläubigen Juden können das nicht, da sie sich als die geistigen Nachfahren Jacobs verstehen. Sie können sich nur auf den (erschwindelten) Jacobssegen berufen. Das gilt aber auch für alle bibelgläubigen Christen, denn die Thora ist ja in der Bibel KOMPLETT ENTHALTEN, nämlich in den 5 Büchern Mose. D.h. auch alle bibeltreuen Christen sind damit gleichzeitig auch Thora-gläubige Juden, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, und können sich nicht auf den Esausegen berufen, denn sie sind die geistigen Erben Jacobs.

Jetzt zu deinem Argument, wie man sich denn auf den Esausegen berufen kann, auch wenn man selbser gar nicht an die Bibel glaubt. M.E. ist das kein Widerspruch. Wie Matthias Köpke ganz gut erklärt, geht es darum, den Bibelgläubigen den Spiegel ihres eingenen Bibelglaubens vorzuhalten. Da sie sich BEWUSST dafür entschieden haben, die GESAMTE Bibel als das Wort ihres Gottes Jahwe anzunehmen, MÜSSEN sie den Esausegen respektieren, da er nun mal in ihrer eigenen Bibel enthalten ist. Respektieren sie ihn nicht, verstoßen sie gegen Gottes Wort, und ziehen damit den Zorn ihres Gottes Jahwes auf sich. Das ist ihr eigener Bibelglaube!! Für mich dagegen ist die Bibel nur eine unter vielen religiösen Schriften. Sie ist für mich nicht verbindlich, aber ich respektiere die Entscheidung der Bibelgläubigen, und ich kann mich FREIWILLIG danach richten, wenn ich will. Ich respektiere die Geschichte von Jacob und Esau in der Bibel, nehme mir gleichzeitig aber auch das Recht heraus, den Esausegen für mich persönlich in Anspruch zu nehmen. Ergibt diese Argumentation für dich Sinn?

Nach meinem bisherigen Verständnis ist die Bibel ein magisches Instrument zur Unterwerfung der Völker unter den israelitischen Stammesgott Jahwe. Aber wer auch immer die Bibel geschrieben hat, hat auch den Gegenzauber gleich mit in die Bibel eingebaut: Den Esausegen. Er muss halt nur aktiviert werden…

Antwort Lavendel:

Lieber Lano Talos,
eine sehr ausführliche Argumentation. Unterm Strich zusammengefasst – sie sind mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?! Es bleibt für mich dennoch ein Widerspruch, etwas aus einem Buch umzusetzen, welches soviele Lügen enthält. Ein großes Wunder ist allerdings, dass der Esausegen überhaupt in die Bibel hineinfand, da es um den Untergang der “Auserwählten” geht, bzw. die Gleichstellung mit den Nichtauserwählten. Sehr mysteriös! Wiederum ist das AT zusammengeschrieben aus älteren Quellen, so dass auch Wahrheiten da hineingelangt sind.

Gut mitgehen kann ich mit Magie, also Zauber und Gegenzauber. Warum meinst Du gibt es nun diesen Gegenzauber?

Danke von Lavendel

Antwort Lano Talos:

Liebe Lavendel,

vielen Dank für Deine Antwort. Ja, ich weiß, dass das mit dem Esausegen zunächst einmal widersprüchlich klingt. Man muss schon ein-, zweimal um die Ecke denken, dann lösen sich die Widersprüche aber alle von selbst auf. Dazu nochmal eine andere Metapher: Stell dir vor, ein Land wird von einer fremden Macht überfallen und besetzt. Die Besatzer führen dort ihre eigenen Gesetze ein und installieren ihre eigene Gerichtsbarkeit. Stell dir jetzt vor, eines dieser Gesetze räumt auch den einheimischen Bewohnern des besetzten Landes gewisse Rechte ein. Wenn jetzt ein solcher Bewohner, vielleicht sogar ein Widerstandskämpfer, z.B. von Polizisten der Besatzungsmacht misshandelt wird, dann kann er sich doch auf dieses Gesetz berufen. Er kann sich ans Gericht wenden und sagen: “Werte Besatzer, nach eurem Gesetz hätte ich nicht so misshandelt werden dürfen. Ihr seid verpflichtet, diese Polizisten nach eurem eigenen Gesetz zu verurteilen!” Er wäre ja dumm, wenn er sagen würde: “Ich erkenne eure Gesetze nicht an, deshalb verzichte ich auch freiwillig auf alle Rechte, die ihr mir einräumt.”

Ich denke, so ist es auch mit der Thora/Bibel. Unsere germanischen Vofahren hatten ihre eigenen Götter und religiösen Schriften. Der Jahwe-Glaube wurde ihnen mit List untergeschoben, geschickt verpackt in die (im Kern) ja heidnische Jesus-Story als Köder. Aber wer sich dagegen zur Wehr setzen will, dem räumt die Bibel — mit dem Esausegen! — das Recht zum Widerstand ein: Wir dürfen das Joch Jakob-Israels von unserem Halse reißen und frei sein. Die Bibel verliert dann von ganz alleine ihre Macht und wird obsolet. Mit dem gesamten Spuk um Auserwähltheitswahn, Endzeitglaube, jüngstes Gericht, “Kinder Gottes” gegen “Heiden” usw. wäre es dann ein für allemal vorbei. Klingt phantastisch, das muss ich zugeben, aber warum sollte es nicht so sein?

Was mich an dem Esausegen-Konzept fasziniert, ist, dass dieser Weg absolut gewaltfrei ist, deshalb wundert es mich auch, wie wenig es bekannt ist. Andererseits ist es natürlich auch klar, dass da so einige dran Interesse haben, dass es gar nicht erst bekannt wird! Ich habe in letzter Zeit ein bisschen v.a. auf jüdischen Webseiten zu Interpretationen der Geschichte von Jacob und Esau recherchiert (auf deutsch findet man leider nicht so viel, aber auf englisch gibt es einiges). Die jüdischen Gelehrten sind Experten darin, ihre Thora zu ihren eigenen Gunsten auszulegen, und sie wissen, dass, je mehr Menschen daran glauben, sich alle Versprechungen, die ihnen ihr Gott Jahwe gegeben hat, erfüllen werden. Aber mein Eindruck ist, dass sie die Geschichte von Jacob und Esau nicht lösen können. Sie wissen m.E. darum, dass der schwelende Konflikt, der durch den Betrug Jacobs (stellvertretend für alle Israeliten) an seinem Bruder Esau (stellvertretend für alle Heidenvölker) entstanden ist, karmisch unerlöst ist, und sie ahnen, dass sie für eine Lösung auf die Heiden — also auf uns! — angewisen sind. Das ist ihnen sicherlich peinlich.

Natürlich gibt es unter ihnen eine kleine Gruppe aus Psychopathen, die die Macht, die ihnen durch die Magie der Bibel gegeben wurde, zur ihren eigenen Gunsten und auf Kosten anderer Völker gewissenlos ausnutzen. Das sind dann die, die sich in den diversen Geheimzirkeln wie Freimaurer, B’nai Brith, Bilderberger, Jesuiten, Hochfinanz usw. sammeln. Aber ich gehe auch davon aus, dass es vielen jüdischen Rabbinern, genauso wie uns, einfach nur um eine bessere Welt geht. Aber sie sind halt in ihrem Thoraglauben gefangen und finden den Weg nicht heraus. Deshalb halte ich es durchaus für möglich, dass manche von ihnen vielleicht sogar dankbar und kooperativ sind, wenn die faulen “Heiden” endlich einmal die Initiative ergreifen, und den Esausegen “aktivieren”.

WARUM der Esausegen in die Bibel gekommen ist, ist auch eine interessante Frage, aber die kann ich dir (bisher?) leider nicht beantworten. Zu dem Thema wäre noch viel zu sagen, und würde ich gerne einmal mehr recherchieren und schreiben, sobald meine Zeit und meine Lebensumstände das zulassen. Eine gute Zusammenfassung findet sich übrigens auch hier: https://wissenschaft3000.files.wordpress.com/2012/02/2011-12-03-08_roland-bohlinger_zwei-zeilen-d-bibel-retten-die-vc3b6lker.pdf

Antwort Lavendel:

Lieber Lano Talos,
vielen Dank, guter Link. Und mit der Methapher geht schon rein in meinen Kopf. Gerne stelle ich mir auch vor, dass sich die überwiegende Judenheit nach Erlösung sehnt, wobei es viel Phantasie braucht, nachdem, was von Kindesbeinen an durch Thora und Talmud so eingeimpft wurde. Fragt sich daher, warum man uns diesen Segen nun einräumt… aber gut, wir sind auf dem Weg und bleiben dran 😉

Noch am Rande bemerkt, waren die Germanen offenbar vielen Verfälschungen erlegen, auch Okkultem, zumindest kann ich mit Gorsleben („Hochzeit der Menschheit“) nicht konform gehen. Dass die Runen nur bis in die 4. Dimension reichen, hatten wir hier auf der HP auch schon mal. Nichts anderes als „heilige“ Geometrie, wenn ich es richtig verstanden habe. Und Opferkulte gab es bei den Germanen ja auch.

Ein Nachtrag noch dazu, und zwar zur Benutzung des Bergiffs „Heide“ bzw. „Heidentum“:  „Lavendel“ schreibt, dass das germanische Heidentum ebenfalls mit jeder Menge Irrtümern verbunden war, wie Tieropfern (oder vielleicht sogar Menschenopfern). Dem stimme ich zu. Ich bete weder irgendwelche heidnischen Götter an, noch praktiziere ich irgendwelche „Rituale“. Das halte ich auch nicht für irgendwie erstrebenswert. Nein, wenn ich von Heidentum spreche, meine ich genau das, was die Bibelgläubigen darunter verstehen: Nämlich eine Spiritualität, die sich explizit nicht auf den israelitischen Stammesgott Jahwe bezieht. Die Vorstellung von einem Schöpfergott lehne ich generell ab.  Es existiert lediglich das — im Prinzip völlig neutrale und unpersönliche — Gesetz von Ursache und Wirkung, bzw. das Gesetz von Saat und Ernte, bzw. das Karmagesetz.

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