Kein sehr schönes Thema fürs neue Jahr, zugegeben. Aber wenn ich das noch länger aufschiebe, besteht die Gefahr, dass ich meine Gedankengänge wieder vergesse. Wenn wir von Fanatikern hören, denken wir meistens an junge Männer mit schwarzen Bärten, die sich selbst und ein paar andere ahnungslose Passanten im Supermarkt in die Luft sprengen. Oder an vergleichbare Bilder wie diese:
Ja, diese Art von Fanatikern gibt es natürlich auch. Wobei manche dieser bedauernswerten Menschen einfach nur gehirngewaschene Mitläufer sind, was nicht unbedingt dasselbe ist. Oder vielleicht könnte man auch sagen, es ist die Endstation oder die Extremform des Fanatismus. Deshalb möchte ich hier einmal erklären, was ich im allgemeinen unter einem Fanatiker verstehe. Kurz gesagt, lautet meine eigene Definition:
Ein Fanatiker ist jemand, der fälschlicherweise glaubt, die absolute Wahrheit gefunden zu haben.
Fanatiker wissen meist nicht, dass sie Fanatiker sind. Der Fanatiker ist subjektiv davon überzeugt, die einzige und absolute Wahrheit gefunden zu haben, und wird seinen Glauben deshalb auch nicht freiwillig so einfach aufgeben. In seinem Glaubenssystem besteht er sogar darauf, dass er seine Überzeugung nie mehr aufgeben wird, komme was wolle — auch wenn das de facto nicht zutreffen mag. Es ist durchaus möglich, dass ein Fanatiker zu seinem Lebzeiten aus seinem Glaubensgefängnis auszubrechen vermag, aber das wird für ihn in der Regel mit starken seelischen Schmerzen verbunden sein. Vergleiche dazu meinen Beitrag „Entkehrung“.
Um gleich mal eins klarzustellen: Das bedeutet alles nicht, dass es keine absolute Wahrheit gäbe. Die gibt es nämlich! Ich gehe aber davon aus, dass jemand, der tatsächlich die absolute Wahrheit gefunden hat, ganz sicher nicht zu einer Gefahr für andere werden kann, im Gegensatz zum Fanatiker, der ja nach meiner obigen Definition eben nur fälschlich glaubt, die absolute Wahrheit gefunden zu haben. Stellt sich nun also die Frage, inwiefern Fanatiker eine Gefahr für andere darstellen (sieht man einmal von der Gruppe ab die im obigen Foto abgedildet ist, und die in vieler Hinsicht einen Sonderfall darstellt). Es gibt mehrere Gründe:
- Der Fanatiker ist zu 100% von etwas überzeugt, was nicht der Realität entspricht. Deshalb wird er ohne zu Beirren und ohne Rücksicht auf Verluste sein Handeln nach seiner Überzeugung ausrichten, und damit früher oder später an der Realität Schiffbruch erleiden — und sehr wahrscheinlich andere mit sich reißen.
- Da der Fanatiker so unbeirrt für seine Überzeugung einsteht, wird er auf andere eine starken Eindruck hinterlassen. Dadurch hat er die Fähigkeit, anderen das Gehirn zu waschen. Fanatiker betreiben geistigen Mussbrauch! Auch Psychopathen haben ja diese Fähigkeit, aber im Gegensatz zum Psychopathen glaubt der Fanatiker, er würde dem anderen dadurch helfen, ja sogar, ihn vorm Verderben retten, während dem Psychopathen das Wohlergehen des anderen egal ist.
- Der Fanatiker ist von Angst gesteuert und steckt andere mit seiner Angst an. Eine irrtümlich für absolut gehaltene Wahrheit macht Angst. Die tatsächliche Wahrheit macht dagegen keine Angst.
Um eines nochmal ganz klar zu stellen: Das alles bedeutet nicht, dass es keine absolute Wahrheit gäbe. Die gibt es ganz bestimmt! Wer das Gegenteil behauptet, betreibt Werterelativismus. Was davon zu halten ist, habe ich letztens in meinem Aufsatz zum Thema „Luziferianismus“ ausgeführt. Wer die tatsächliche Wahrheit kennt, wird dagegen nicht zum Fanatiker!
Fanatiker gibt es in allen politischen, ideologischen und religiösen Ecken. Aber eine bestimmte Art von Fanatikern, die mir im Internet in den letzten Jahren besonders aufgefallen sind, sind bibeltreue evangelische Christen. Womit ich nicht sagen möchte, dass alle bibeltreuen evangelische Christen Fanatiker sind. Tatsächlich ich habe auch einige gefunden, die keine sind, und die man auch nicht so leicht in die Gruppe der „lauwarmen“ Christen (die die christlichen Fanatiker als ihre Hauptfeinde ansehen, noch mehr als die Atheisten und sogar Satanisten!!) stecken kann.
Sehr gut sichtbar wird diese Art von Fanatikern auf dem Youtube-Kanal von Edi Maurer, besonders auf seinem am häufigsten angeklickten Video.
Es ist schon mindestens 2 oder 3 Jahr her, dass ich dieses Video gesehen habe und ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so recht erinnern, was darin gesagt wurde, auch wenn es korrekt recherchiert sein mag. Aber die Kommentare lese ich seit etwa 2 Jahren regelmäßig mit. Der Kommentarteil (sowie die Kommentarteile einiger andere Videos auf diesem Kanal) ist zu einem signifikanten Anteil so etwas wie ein nicht abreißender Shitstorm, der sich bereits über 3 Jahre hinzieht (Edi Maurer schrieb sogar, dass er besonders schlimme Kommentare löschen muss). Ich glaube, viele der bibeltreuen Christen, die dort empörte Kommentare schreiben, haben das Video gar nicht gesehen, oder nur die ersten paar Mintuen. Es ist allein der Titel, der sie so triggert.
Dabei muss ich sagen, dass ich mit Edi Maurer nicht in allzu vielen Punkten übereinstimme. Vor allem ist mir seine Sichtweise zu einigen Themenbereichen zu systemkonform. Aber darum geht es hier gar nicht. Sondern ich erwähne ihn hier, weil ich bisher niemand anderen gefunden habe, der so geduldig, so konsequent, und so verständnisvoll auf Fanatiker eingehen kann wie er. Das muss man wirklich mal sagen! Edi Maurer geht den 🙏WEG DER MITTE🙏, und ist damit sicherlich viel näher an der Lehre des Erhabenen SammaSamBuddha, als er vielleicht zugeben will! Er bezeichnet sich als Christ, ist aber kein Bibeltreuer, sonst würde er wohl kaum ein Video mit so einem Titel machen. Aber wie ich oben schon schrieb, glaube ich, dass es sogar bibeltreue Christen gibt, die den Weg der Mitte gehen, auch wenn diese es wohl noch weniger zugeben würden.
»… Ein Fanatiker ist jemand, der fälschlicherweise glaubt, die absolute Wahrheit gefunden zu haben …« Ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber die Wahrheit kenne ich.
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Findest du es nicht ein bisschen eigenartig, dass du sogar selbst deine eigene Definition von „Fanatiker“ (Warum eigentlich nur maskulin?) direkt im Anschluss widerlegst?
Also was meinst du denn nun wirklich mit dem Begriff?
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Hallo Muriel, wenn ich die männliche Pluralform verwende, meine ich sowohl Männer als auch Frauen. So, wie es früher in der deutschen Sprache mal üblich war. Ich meine den Begriff genau so, wie ich es in meinem Definitionsvorschlag geschrieben habe: Ein Fanatiker ist subjektiv davon überzeugt, die absolute Wahrheit zu kennen, obwohl es objektiv gesehen nicht stimmt. Wie meinst du, dass ich meine Definition selbst widerlege?
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